AKADEMIE FÜR KULTUR- UND WISSENSCHAFTSWISSENSCHAFT
INSTITUT FÜR STUDIEN DER MUSIKKULTUR DES PORTUGIESISCHEN SPRACHRAUMES
ISMPS
neue diffusion
ein dokumentationsprojekt
50 jahre hochschullehre und forschung
antonio alexandre bispo
kulturkreislehre
weltschau
volkstum
rückblicke
lehrveranstaltungen in brasilien
1970-1974
fakultät für musik und kunsterziehung des musikinstituts são paulo
fachbereiche
ästhetik, wahrnehmung, strukturaktionstheorie, fundamente der expression und kommunikation des menschen
Werner Danckert
1900-1970
Werner Danckert gehörte zu den Musikforschern, die mit ihren Publikationen bei bibliographischen Besprechungen zur Einführung in das Studium der Musikethnologie an der Musikfakultät des Musikinstituts São Paulos berücksichtigt wurden. Wie bei anderen Autoren war das Interesse primär auf seine Leitprinzipien des Denkens und der Sichtweisen gerichtet. Seine Stellung in der Entwicklung musikwissenschaftlicher Auffassungen und thematischer Gewichtungen wurde unter besonderer Berücksichtigung der kontextuellen Prozesse betrachtet, in die er sich einschrieb. Diese Ausrichtung der Aufmerksamkeit diente der Verortung in einer Zeit, in der die Musikethnologie als Fach auf Hochschulniveau in Brasilien etabliert wurde.
Mit Danckert wurde der Blick der Studierenden auf Zusammenhänge der deutschen Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts gerichtet, die in Brasilien bis dahin zu wenig beachtet wurden. Die Auseinandersetzung mit Danckert war jedoch für die Volkskunde und die Musikethnologie – sowie überhaupt für die Musikforschung – in Brasilien notwendig, da seine Interessen für Symbolik und Typologie wichtige Aspekte einer kulturwissenschaftlich orientierten Musikwissenschaft betrafen, wie sie seit Mitte der 1960er Jahre in São Paulo vertreten wurde. Genaue Differenzierungen in Ansätzen und Methoden waren erforderlich.
Die Auseinandersetzung mit seinen Ansätzen war auch im allgemeinen von Bedeutung, da diese die theoretische Debatte um die Kulturkreislehre betrafen, die das Denken mehrerer brasilianischer Kulturforscher in ausgesprochener, unausgesprochener oder unreflektierter Weise prägte.
Bereits 1932 veröffentlichte Danckert die Studie Ursymbole melodischer Gestaltung - Beiträge zur Typologie der Personalstile aus 6 Jahrhunderten abendländischer Musikgeschichte“. Seine Schriften Musikwissenschaft und Kulturkreislehre und Musikethnologische Erschließung der Kulturkreise von 1937 wurden vor allem in deutschsprachigen Kreisen in Brasilien in den 1930er und 1940er Jahren rezipiert.
Das Ansehen von Danckert in deutschsprachigen Kreisen São Paulos der 1930er und 1940er Jahren erklärte sich auch durch die politischen Entwicklungen im nationalsozialistischen Deutschland mit ihren Auswirkungen in Brasilien. Jena, Berlin und vor allem Weimar, wo Danckert als Privatdozent seit 1926, als Dozent, Lektor und schließlich Professor zur dunkelsten Epoche der deutschen Geschichte (1937-1946) wirkte, waren in besonderer Weise vom Nationalsozialismus geprägt. Vor allem die Musikhochschule Weimar war von dieser nationalsozialistischen Vergangenheit belastet, was besonders für die Musikethnologie galt. Bezeichnend war der Vortrag Danckerts bei den Reichsmusiktagen in Düsseldorf 1938 zum Thema Volkstum, Stammesart, Rasse im Lichte der Volkstumsforschung, was den Interessen für Rassenfragen in Brasilien der Zeit des Estado Novo entsprach.
Die Arbeiten von Danckert entsprachen thematischen Interessen in deutschsprachigen Kreisen São Paulos in den 1930er Jahren, wie die Beschäftigung mit der Bachforschung (Beiträge zur Bachkritik, 1934) sowie zum deutschen Lied und die Volksliedforschung im allgemeinen (Das europäische Volkslied; Grundriß der Volksliedkunde, 1939). Die Kommemorationen von Goethe in São Paulo und vor allem die Beschäftigung mit Goethe in esoterischen bzw. anthroposophischen Kreisen der deutschen Gemeinden fanden in Studien Danckerts eine Stütze (Goethe: Der mythische Urgrund seiner Weltschau, 1931).
Text basierend auf Niederschriften der Vorlesungsreihe „Musik in der Begegnung der Kulturen“ von Prof. Dr. A. A. Bispo, Universität Köln 1997-2000, der Seminare „Musik und Symbolik“ sowie „Musik & Religion“ an der Universität Bonn 2003 sowie der Lehrveranstaltungen zu dem kulturwissenschaftlichen Ansatz in der Musikwissenschaft, zu Musik und Gnosis und Musik im Denken der Antike in Köln 2005-2008.