AKADEMIE FÜR KULTUR- UND WISSENSCHAFTSWISSENSCHAFT

INSTITUT FÜR STUDIEN DER MUSIKKULTUR DES PORTUGIESISCHEN SPRACHRAUMES

ISMPS

neue diffusion
ein dokumentationsprojekt

50 jahre hochschullehre und forschung
antonio alexandre bispo

vergleichende kunst-

und musikwissenschaft

rethinking „musik der naturvölker“


rückblicke

lehrveranstaltungen in brasilien

1970-1974

fakultät für musik und kunsterziehung des musikinstituts são paulo

fachbereiche
ästhetik, wahrnehmung, strukturaktionstheorie, fundamente der expression und kommunikation des menschen

Robert Lach
1874-1958

Robert Lach (1874-1958) ist einer der Forscher, die bei den einleitenden Besprechungen der Fachliteratur im Fachbereich Musikethnologie der Fakultät für Musik und Musikerziehung des Instituto Musical de São Paulo von 1972 bis 1974 eingehend berücksichtigt wurden.


Robert Lach war durch einige seiner Publikationen bereits seit Jahrzehnten in Kreisen São Paulos bekannt, die sich für außereuropäische Musik interessierten. Seine Die vergleichende Musikwissenschaft, ihre Methoden und Probleme (1924) sowie Vergleichende Kunst- und Musikwissenschaft (1925) waren bei der Auseinandersetzung mit der komparativen Musikforschung unentbehrlich. In einer Zeit der Institutionalisierung der Musikethnologie auf Hochschulebene, die sich vielfach von der älteren Vergleichenden Musikwissenschaft abhob, mussten die Publikationen von Laach erneut gelesen und besprochen werden.


Robert Laach wurde aber in Brasilien vor allem bekannt durch seinen Beitrag „Die Musik der Natur- und orientalischen Kulturvölker“ in Guido Adlers Handbuch der Musikgeschichte I-III, das 1924 in Frankfurt a.M. und 1930 in 2. Auflage in Berlin-Wilmersdorf erschienen ist. Diese Publikation gehörte zu der grundlegenden Fachliteratur in Kursen von Musikgeschichte bzw. „Weltmusikgeschichte“ von Konservatorien und Hochschulen. Der Text von Laach prägte Auffassungen zur Musik der „Naturvölker“ und somit der indigenen Gruppen Brasiliens. Die Unterscheidung zwischen Natur- und Kulturvölkern, die Kulturkonzepte offenbarte und bedingte, wurde besonders im Rahmen des Programms „Kultur/Natur“ der Gesellschaft Nova Difusão diskutiert, die gerade die Problematik dieser Antinomie thematisierte.

Die Berücksichtigung von Robert Lach war in São Paulo von besonderer Bedeutung und Brisanz, da er sich in den gleichen epochalen und geokulturellen Kontext einfügt wie Martin Braunwieser (1901-1991), der die Studien im Rahmen der vergleichenden Musikwissenschaft in Brasilien prägte. Trotz aller Nähe unterschieden sich beide vor allem hinsichtlich politischer Anschauungen grundlegend in ihrem Denken, was zu einer distanzierten, wenn nicht ablehnenden Haltung gegenüber Lach in São Paulo führte.


Robert Lach war Schüler des Psychologen und Musikwissenschaftlers Richard Wallaschek (1860-1917) in Wien. Wenn Musiker aus dem Umkreis von Braunwieser wie Bernhard Paumgartner (1887-1971) und Felix Petyrek (1892-1951) sich der Sammlung von Soldatenliedern während des I. Weltkrieges widmeten, so veröffentlichte auch Lach Gesänge russischer Kriegsgefangener (I-III, 1926 ss.).


Während Braunwieser am Mozarteum in Salzburg studierte und seine Karriere begann, war Lach zwischen 1912 und 1920 Leiter der Musikaliensammlung der Wiener Staatsbibliothek. Lach habilitierte an der Universität Wien 1915 und wurde ab 1920 außerordentlicher Professor. Als Braunwieser 1927 von Griechenland aus nach Brasilien auswandert, wurde Lach zum Professor für Vergleichende Musikwissenschaft ernannt. Braunwieser kannte seine Studie Das Konstruktionsprinzip der Wiederholung in Musik, Sprache und Literatur, die 1925 erschien, die er sowohl bei Besprechungen im Rahmen der Vergleichenden Musikwissenschaft als auch im Kompositionsunterricht berücksichtigte.


(…)

Text basierend auf Niederschriften der Vorlesungsreihe „Musik in der Begegnung der Kulturen“ von Prof. Dr. A. A. Bispo, Universität Köln 1997-2000, des Oberseminars zu Problemen der anthropologischen Musikwissenschaft an der Universität Bonn 2003 sowie des Hauptseminars zum kulturwissenschaftlichen Ansatz in der Musikwissenschaft, Köln 2005.